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Nummer zwei im Lutherland

Drackenstedt, den 06. 09. 2017

Volles Haus für „Drackenstedts arme Kirchenmaus“: Mehr als hundert Besucher haben sich den Reformationsschwank gefallen lassen.

 

„Ich war letzte Woche in Wittenberg“, eröffnete Gunther Hirschligau, Autor und Regisseur des Bühnenstücks, den unterhaltsamen Nachmittag im vollbesetzten Gotteshaus, „und muss, was Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum angeht, feststellen: Wittenberg ist die Nummer eins und Drackenstedt die Nummer zwei.“ Die bewusste Übertreibung des Ummendorfer Ruhestandspfarrers war ein aufrichtiges Lob an die kleine evangelische Gemeinde Drackenstedt für ihr überaus interessant und abwechslungsreich gestaltetes Kulturprogramm rund um das Thema Reformation.

Teil dessen – der für die Beteiligten aufwendigste und für allesamt amüsanteste – war am Sonntag die Premiere des Lustspiels „Drackenstedts arme Kirchenmaus“, für das man sich – ganz nach bewährter Hirschligau-Art – bei einer dörflichen Überlieferung bediente: Pastor Krulls Kampf um die Eisernen Kühe (siehe Infokasten).

Mühen haben sich gelohnt

Die Mühen der vergangenen Wochen, darin war sich der geschlossen auf der Bühne stehende Kirchengemeinderat einig, hatten sich vollauf gelohnt. Nicht nur, weil das Theater in der Nicolaikirche mindestens genauso viel Besucherinteresse hervorrief wie im Frühjahr die Lüftung des Turmkugelgeheimnisses. Sondern auch, da das Schauspiel – meistens jedenfalls – wie am Schnürchen klappte und manch einer der zwölf Darsteller eine völlig neue Seite an sich entdeckte. Den Übungsfleiß hat man dem Ensemble angemerkt, das Lampenfieber hingegen nicht. Und haperte es doch mal an einer Textstelle, ließ die Zwischenapplausaufmunterung des Publikums nicht lange auf sich warten. Der größte Beifall setzte natürlich nach der einstündigen Vergnügungsreise ins Jahr 1553 ein.

"Es sind hier viele Leute daran beteiligt, dass so eine ganze Reihe bemerkenswerter Veranstaltungen auf die Beine gestellt werden kann“, lobte Gunther Hischligau weiter. „Ich freue mich sehr, dass die Reformation hier in solchem Maße bedacht und gewürdigt wird.“ Zeit seines Lebens ist Martin Luther ein geistiger Wegbegleiter Hirschligaus – eine Verbundenheit, die im Winter nachdrücklich gefestigt wurde, hat der Ruheständler doch nicht weniger als drei um den Reformator angelegte Theaterstücke geschrieben. In der Kirchenmausgeschichte erfolgt die Hommage an Luther mittels eingestreuter Zitate – davon sind ja auch reichlich jung geblieben.

 

Die Sache mit den Eisernen Kühen

Johann Krull hatte sich vor seinem Dienstantritt in Drackenstedt – direkt nach seiner Ordination – aufmerksam mit Werk und Weltanschauung Martin Luthers beschäftigt. So bekleidete ein überzeugter Protestant das Pfarramt – und das mit dem Segen der Gemeindeoberen und gegen gültiges Patronatsrecht. Krull war zunächst auf die Gunst der Gemeinde angewiesen, da sein katholischer Amtsvorgänger den Pfarracker verscherbelt hatte; allein drei Rinder, die so genannten Eisernen Kühe, blieben der armen Kirchenmaus. Als ihm auch noch dieses lebendige Inventar genommen werden sollte, setzte Krull kurzerhand einen zusätzlichen Gottesdienst an, las nicht nur sonntags, sondern fortan auch mittwochs die Messe. Dieser Eifer überzeugte – er durfte die Kühe behalten.

 

Foto: Hat ein Auge nicht nur auf seine angebetete Gesa: Pastor Johann Krull (Volker Reichert) klärt die Bettlerbuben Martin und Thomas (Niclas Michaelis und Jesko Aeikens) über Luthers Lehre auf.

 

Text und Foto: Ronny Schoof - Volksstimme

 

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